Kultur verstehen – Mehrdimensionale Perspektiven auf Interkulturalität
Kultur ist mehr als Herkunft, Sprache oder Tradition – sie ist ein dynamisches Beziehungssystem aus Bedeutungen, Erwartungen und sozialen Praktiken. Diese Einheit unterstützt dich dabei, verschiedene Kulturbegriffe zu analysieren, Fallbeispiele zu deuten und im eigenen pädagogischen Kontext mit Vielfalt und Missverständnissen konstruktiv umzugehen. Das Ziel ist ein dialogisches, respektvolles und analytisches Kulturverständnis.
Loslegen
Was bedeutet Kultur für dich?
Notiere spontan 5 Begriffe oder Bilder, die du mit Kultur verbindest.
Tauscht euch im Buddy-Team aus: Gibt es Gemeinsamkeiten? Überraschungen?
Lege deine Begriffe beiseite – wir greifen sie am Ende wieder auf.
Ziel: Einstieg über persönliche Bilder, Sichtbarmachen impliziter Kulturdefinitionen
Neues entdecken
Kultur ist kein neutraler Begriff.
In der Forschung gibt es grob zwei Herangehensweisen:
- Kultur als Container (geschlossene Definition):
Kultur = Herkunft, Ethnie, Nationalität → führt zu Stereotypen, „Wir und die anderen“-Denken - Kultur als dynamischer Prozess (offene Definition):
Kultur = geteilte Praktiken, Bedeutungen, Werte, die sich kontextuell wandeln → betont Beziehungen, Lernprozesse und Diversität
Lies hier mehr dazu
Kultur verstehen & Missverständnisse erkennen
Fallbeispiel: „On the way to the cafeteria“
Tom gibt seinem deutschen Mitbewohner Christian spontan 3 Euro für die Mensa. Als Christian das Geld gleich zurückzahlt, ist Tom enttäuscht – für ihn war das Helfen ein Freundschaftszeichen, kein Geschäft.
Überlege gemeinsam mit deinem Buddy:
- Welche Kulturkonzepte begegnen sich hier?
- Wie kann das Verhalten durch den dynamischen Kulturbegriff gedeutet werden?
- Welche Rolle spielen Kommunikation, Beziehung und Interpretation?
Eintauchen 1
Kultur im Wandel – Vom Missverständnis zur Perspektivübernahme
Dynamisches Kulturverständnis bedeutet: Menschen „haben“ nicht einfach Kultur – sie gestalten sie aktiv mit. Das verlangt Achtsamkeit, Beobachtung und die Bereitschaft, eigene Deutungsmuster zu hinterfragen.
Lies mehr zu hier:
Interkulturelle Haltung und Handlungskompetenz entwickeln
Fertig? Schau dir gemeinsam mit deinem Buddy das Fallbeispiel an:
Fallbeispiel: „Where do you really come from?“
Beibei antwortet auf die Frage „Woher kommst du?“ mit „Leer“ – der Ort ihrer Geburt. Der Dozent insistiert: „Wo kommst du wirklich her?“ Hier prallen Kulturverständnisse aufeinander.
Fragen zur Analyse:
- Was ist problematisch an der Frage des Dozenten?
- Wie hilft der offene Kulturbegriff, das Missverständnis zu entwirren?
- Welche Machtverhältnisse werden durch Sprache sichtbar?
Zusatzimpuls:
- Was bedeuten diese Einsichten für euren pädagogischen Alltag?
- Wie können Kinder ermutigt werden, Herkunft nicht als Stigma, sondern als Ressource zu erleben?
Ausprobieren 1
Kultur entdecken im Team
Ziel: Kollegiale Perspektivenvielfalt sichtbar machen
Aufgabe:
- Bildet Kleingruppen im Team.
- Jede:r bringt einen persönlichen Gegenstand mit, der „Kultur“ symbolisiert (z. B. Ritual, Sprache, Kleidung, Lied).
- Erzählt euch die Geschichte dazu.
- Haltet fest: Was verbindet euch? Wo liegt Vielfalt?
- Was sagt das über euer jeweiliges Kulturverständnis aus?
Ausprobieren 2
Kultur erleben mit Kindern
Ziel: Dynamisches Kulturverständnis kindgerecht zugänglich machen
Aktivität:
- Die Kinder bringen einen Alltagsgegenstand mit, der in ihrer Familie wichtig ist.
- Sie erzählen: Woher kommt er? Was bedeutet er? Wann wird er verwendet?
- Anschließend gestalten sie gemeinsam eine Collage: „Kultur ist, wenn …“
Ziel: Vielfaltsbewusstsein, Sprachsensibilität und Ausdruck stärken
Abschließen
Lies deine 5 Kulturbegriffe vom Warm-up noch einmal durch.
- Haben sich deine Bilder verändert? Welche Begriffe würdest du ergänzen?
- Wo hast du im pädagogischen Alltag ein „Kulturproblem“ erlebt?
- Wie hättest du mit mehr Perspektivübernahme reagieren können?
Notiere deine Gedanken für dein Reflexionstagebuch oder Buddy-Gespräch.
Oder
Stell dir vor, du wirst morgen in einem völlig neuen Kontext unterrichten – z. B. in einem anderen Land, mit einem Team aus fünf Kulturen, mit mehrsprachigen Kindern und ohne gemeinsamen Lehrplan.
Denkfragen zur Weiterführung:
- Was nimmst du mit?
– Welche Haltung, welches Verständnis von Kultur trägst du in diese neue Situation hinein?
– Was könnte dir im Weg stehen? - Was wäre deine erste Frage an das neue Team?
– Woran würdest du anknüpfen, ohne zu vereinnahmen?
– Wie kannst du „Nichtwissen“ als Ressource nutzen? - Welche Machtstrukturen würdest du kritisch betrachten?
– Wer bestimmt, was „normal“ ist?
– Welche Sprachen, Perspektiven und Biografien sind im Alltag sichtbar – und welche nicht? - Wie kann aus kultureller Vielfalt ein kollektiver Lernraum entstehen?
– Welche Routinen müsstest du aufbrechen, um Teilhabe wirklich zu ermöglichen?
Notiere deine Antworten stichwortartig oder als Mini-Brief an dein zukünftiges Ich in einem globalen, kulturell vielfältigen Bildungssystem.
Tausche dich optional mit deinem Buddy aus: Welche Vision von Schule entsteht?